Viele wollen es nicht wahrhaben – Plötzlich Pflegebedürftig
Wir Menschen neigen dazu, unangenehme Gedanken zu verdrängen und verschließen manchmal die Augen vor der Wirklichkeit. Der Gedanke an eine spätere Pflegebedürftigkeit ist sicherlich unangenehm. Aber es bringt uns auch nicht weiter, wenn wir das Thema nicht angehen, wenn wir jünger und noch gesünder sind. Die Wahrheiten, wenn es um das Thema Pflege und Pflegeabhängigkeit geht, können brutal sein. Wer sich aber rechtzeitig damit beschäftigt und realistische Einschätzungen vornimmt, kann schon jetzt den Grundstein dafür legen, seine Lebensqualität und Würde auch bei späterer Hilfsbedürftigkeit zu erhalten.
Plötzlich ein Pflegefall? Das passiert mir nicht!
Der Gedanke, den Alltag nicht mehr alleine und ohne fremde Hilfe bewältigen zu können, macht jedem Menschen Angst. Doch mit einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes und der damit verbundenen Pflegebedürftigkeit muss leider gerechnet werden. Statt das Thema zu verdrängen, kann es helfen, sich über die verschiedenen Möglichkeiten zu informieren und frühzeitig dafür zu sorgen, dass auch die eigenen individuellen Wünsche, Ansprüche und Bedürfnisse in Bezug auf Pflege und Wohnen berücksichtigt werden.
Wissenschaftliche Ergebnisse und medizinischer Vorsprung haben entscheidend dazu beigetragen, dass die Lebenserwartung gestiegen ist. Vor allem in Industrienationen wie Deutschland werden die Menschen immer länger und älter. Mit der steigenden Lebensdauer steigt natürlich auch die Wahrscheinlichkeit, pflegebedürftig zu werden. Die Zahl der pflegebedürftigen Personen hat deutlich zugenommen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ist die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland zwischen 1999 und 2020 von 2,02 Millionen auf 4,12 Millionen angestiegen. Wissenschaftliche Schätzungen gehen davon aus, dass die Zahl der pflegebedürftigen Menschen weiter stetig steigen wird und im Jahr 2030 rund 6 Millionen Menschen betroffen sein werden.
Derzeit sind 4,1 Millionen Menschen auf Pflege angewiesen in Deutschland. Vier von fünf Pflegebedürftigen werden zu Hause betreut und gepflegt, häufig von Familienangehörigen. Wenn Angehörige aus familiären, betrieblichen oder privaten Gründen nicht in der Lage sind, die häusliche Pflege zu übernehmen, helfen Betreuungskonzepte wie die 24-Stunden-Pflege, stationäre Pflege zu vermeiden und Angehörige zu entlasten.
Es ist nie zu früh für Vorsorge
Oft schieben die Menschen den Gedanken an ihr Alter weit weg und denken, dass noch genügend Zeit bleibt, um sich mit der Pflege zu beschäftigen. Doch Pflegebedürftigkeit kann jeden zu jeder Zeit treffen. Zwar ist die Mehrzahl aller Pflegebedürftigen um die 80 Jahre alt oder älter, die Eintrittswahrscheinlichkeit steigt also mit zunehmendem Alter. Dennoch ist Pflegebedürftigkeit unabhängig vom Alter und kann viele Ursachen haben. Schlaganfälle, Organversagen, Stürze und chronische Krankheiten können schon viel früher zu einer Pflegebedürftigkeit führen. Andererseits zeigt die Statistik, dass jeder sechste Pflegebedürftige jünger als 65 Jahre ist. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, sich über Beratungsmöglichkeiten und Unterstützungsstrukturen zu informieren.
Bin ich schon Pflegebedürftig?
Ein Mensch ist nicht erst dann pflegebedürftig, wenn er nichts mehr tun kann! Nach den rechtlichen Vorgaben beginnt eine Betreuungsbedürftigkeit, wenn Hilfe bei alltäglichen Verrichtungen notwendig wird. Das gilt zum Beispiel für die Körperpflege, das An- und Auskleiden oder Arztbesuche. Auch Menschen mit leichten Einschränkungen können daher bereits einen Anspruch auf Leistungen aus der Pflegeversicherung geltend machen.
Wenn eine Pflegebedürftigkeit festgestellt und ein Pflegegrad zuerkannt wurde, können beispielsweise Alltagshilfen oder Haushaltshilfen über den monatlichen Entlastungsbetrag finanziert werden.
Belastung durch Pflege zu Hause darf nicht unterschätzt werden
Die häusliche Pflege kann sehr anstrengend sein, sowohl psychisch als auch physisch. Wenn man arbeiten muss und nebenbei noch eine Familie zu versorgen hat, gerät man schnell in ein Hamsterrad. Die Pflege ist anstrengend und zeitaufwendig. Familienmitglieder haben die gute Absicht, sich um einen nahen Angehörigen zu kümmern. Doch sie stoßen schnell an die Grenzen ihrer Kräfte. Pflege bedeutet auch, dass diese Aufgabe über Jahre hinweg zu bewältigen ist. Und leider ist es oft so, dass die zu Beginn der Pflegebedürftigkeit nur geringfügig notwendige Hilfe im Laufe der Zeit zu einem Fulltime-Job in der Pflege wird. Niemand kann und sollte seinen Angehörigen ganz alleine pflegen.
Um die Herausforderungen rund um die Pflege erkennen und einschätzen zu können, braucht es Unterstützung. Pflegekassen, Pflegestützpunkte, Sozialverbände und Kommunen beraten. Wer sich so früh wie möglich über alle Unterstützungs- und Hilfsangebote informiert, kann diese dann auch nutzen, um das eigene Wohlbefinden im Falle einer Pflegebedürftigkeit und auch das Wohl der eigenen Angehörigen zu sichern.