Was tun, wenn Pflegebedürftige die Pflege verweigern?
Wenn Angehörige pflegebedürftig werden, steht die ganze Familie in dieser Situation vor Fragen und Herausforderungen. Der Wunsch der meisten Betroffenen ist, dass die Pflege durch Familienangehörige oder Angehörige in der eigenen Wohnung erfolgt. Diese Konstellation kann gut funktionieren, sie kann aber auch mit gravierenden Problemen verbunden sein: Die familiären Bindungen und Beziehungen sind nicht immer für die Pflege geeignet. Ungeklärte Konflikte, emotionale Distanz oder auch noch nicht geklärte Streitigkeiten können die Situation für die Pflege und Unterstützung zusätzlich erschweren. Aber auch ganz banale Gründe wie eine räumliche Distanz, die kaum zu überbrücken ist, führen zu Schwierigkeiten bei der häuslichen Pflege durch Angehörige.
Probleme lauern auf beiden Seiten – viele pflegende Angehörige fühlen sich psychisch oder physisch von den Belastungen der Pflege überfordert. Beide Seiten können aufgrund der mit der Pflege verbundenen körperlichen und intimen Nähe beim Waschen und bei der Körperpflege ein Schamgefühl aufbauen. Gerade in der älteren Generation ist dies einer der Gründe, warum die Betroffenen es vorziehen, sich von professionellen Pflegekräften des Pflegedienstes helfen zu lassen.
Pflege von Familienangehörigen: Das sind die Pflichten
Grundsätzlich ist niemand verpflichtet, die Pflege von Mutter, Vater oder anderen alten oder kranken Familienmitgliedern zu übernehmen. Das Grundgesetz räumt jedem Menschen das Recht ein, seine Entscheidungen selbst zu treffen. Kein Gesetz schreibt daher vor, dass Familienangehörige zur Pflege verpflichtet sind. Genauso wenig müssen hilfsbedürftige Personen aber dulden, dass die eigenen Angehörigen sie pflegen. Geschieht dies dennoch, könnte der Straftatbestand der Nötigung erfüllt werden. Hier greift das Persönlichkeits- und Selbstbestimmungsrecht, das im Grundgesetz verankert ist und die Unantastbarkeit der Menschenwürde besagt.
Wer entscheidet, wer pflegt und wo gepflegt wird?
Aus rechtlicher Sicht ist es nicht zulässig, jemanden gegen seinen Willen und ohne seine Zustimmung am Verbleib in der eigenen Wohnung zu hindern. Wer dem nicht Folge leistet, macht sich unter Umständen wegen Freiheitsberaubung strafbar. Eine Ausnahme besteht jedoch, wenn Pflegebedürftige sich dadurch selbst in Gefahr bringen würden oder ein drohender Gesundheitsschaden abgewendet werden muss.
In diesen Fällen kann ein Antrag auf Aufnahme oder Zwangseinweisung in ein Pflegeheim gestellt werden. Dazu bedarf es der Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes, das allein über die stationäre Unterbringung im Pflegeheim entscheidet. Letztlich können weder Mutter, Vater, Tochter, Sohn noch ein anderes Familienmitglied, Hausarzt oder Bevollmächtigter allein entscheiden, ob jemand in ein Pflegeheim muss.
Jeder kann also zunächst den Umzug in ein Pflege- oder Altersheim ablehnen. Das Recht wird erst widerrufen, wenn das Gericht das Aufenthaltsbestimmungsrecht ändert und eine stationäre Unterbringung anordnet. Mit einer gerichtlichen Anordnung können die Bevollmächtigten dann auch Mietverträge beenden und alle organisatorischen Aufgaben übernehmen. Weitere Schutzmaßnahmen bei psychischen Erkrankungen mit der Situation der Selbst- und Fremdgefährdung richten sich nach anderen Gesetzen.
Wenn Abwehrhaltung zur Hürde wird
Hilfs- und Pflegebedürftigkeit kann jeden Menschen in jedem Alter treffen. Pflegebedürftigkeit kann von Geburt an bestehen, ganz unerwartet durch eine Krankheit wie einen Unfall oder Schlaganfall entstehen oder sich langsam entwickeln, wie es bei Menschen mit Demenz häufig der Fall ist. Manchmal werden Menschen nur vorübergehend pflegebedürftig und erholen sich, während andere ab einem gewissen Punkt in ihrem Leben dauerhaft auf Hilfe und Pflege angewiesen sind.
In jedem Fall bedeutet Pflege- und Hilfsbedürftigkeit, dass ein Teil der Selbstständigkeit verloren geht. Das macht allen Angst, was sich oft in Frustration, Aggression, Wut, Altersstarrsinn und Ablehnung äußert. Pflegende Familienangehörige verzweifeln dann, wenn es darum geht, den Betroffenen zu überzeugen, Hilfe anzunehmen. Dies gilt unabhängig davon, ob die pflegende Angehörige selbst oder ein professioneller Pflegedienst die Pflege übernehmen soll. Allerdings versuchen pflegebedürftige Menschen dann nicht absichtlich, ihre Angehörigen zu verletzen, sondern nehmen als alter Mensch eine Abwehrhaltung ein, wie man sie sonst nur von bockigen Teenagern kennt.
Idealerweise wird das Gespräch mit dem betroffenen Angehörigen frühzeitig gesucht, wenn sich erste Anzeichen von Hilfe- und Pflegebedürftigkeit zeigen. Defizite und der Gesundheitszustand sollten mit Mutter, Opa oder anderen Familienmitgliedern vorsichtig – aber nie vorwurfsvoll – angesprochen werde, damit keine unnötigen Konflikte entstehen. Es ist wichtig, geduldig zuzuhören und im Gespräch auf die Vorteile einer möglichen Unterstützung hinzuweisen. Auf diese Weise lässt sich oft schon herausfinden, wie die Idee eines helfenden Alltagsbegleiters oder eines Betreuungsdienstes aufgenommen wird. Anschließend sollte dem Angehörigen ausreichend Zeit gegeben werden, um die Optionen zu prüfen. Wichtig ist, dass Unklarheiten im Vorfeld abgebaut werden können. Wenn ein Problem besteht, müssen Kompromisse gefunden werden. Solche Gespräche mit älteren oder kranken Menschen können ein hohes Einfühlungsvermögen erfordern.
Neben einem hohen Maß an Verständnis und Geduld helfen in solchen Fällen oft ein paar Ratschläge, wie man allen Beteiligten das Leben leichter machen kann
Hilfe für pflegende Angehörige
Kinder, Tanten, Enkel und Familienmitglieder, die sich um hilfsbedürftige Angehörige kümmern, kommen schnell an ihre Grenzen. Hier ist es wichtig, sich Hilfe zu holen. Es gibt Foren, Beratungsstellen und Informationsmaterialien, die hilfreiche Tipps & Tricks für den schweren Pflegealltag liefern. Häufig können auch Einrichtungen und Institutionen wie Pflegedienste, Tagespflege oder Seniorentreffs an Schnuppertagen ein wenig Überzeugungsarbeit betreiben.
Es kann sich auch lohnen, sich über alternative Konzepte wie die stundenweise Pflege zur temporären Unterstützung oder die 24-Stunden-Betreuung mit Leistungen aus Hauswirtschaft, Grundversorgung und Betreuung zu informieren. Mit Fingerspitzengefühl und gutem Willen lassen sich auch diese Betreuungsmöglichkeiten integrieren.